Gilt die Auskunftspflicht auch für Gesprächsnotizen?

Liebe Leser,

im nachfolgenden Beitrag beleuchtet unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Köln.

Warum ist dieses Urteil für Sie als Makler interessant?

  1. Sie können für Ihre Kunden mehr Informationen beim Versicherer einfordern als Sie bislang dachten.
  2. Seien Sie darauf gefasst, dass Ihre Kunden auch Ihnen gegenüber einen umfangreicheren Auskunftsanspruch haben.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Gastbeitrag:

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Wie weit geht der Anspruch auf Auskunft nach der Datenschutzgrundverordnung? Müssen Versicherer ihren Kunden sogar interne Vermerke wie Gesprächs- und Telefonnotizen offenlegen? – Mit dieser Frage befasste sich das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Rahmen einer Verhandlung zur Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung (Urteil v. 26.7.2019 – 20 U 75/18).

Der Sachverhalt

Der Kläger hatte als Versicherungsnehmer bei der beklagten Versicherung mehrere Versicherungsverträge abgeschlossen. Zum Streit kam es darüber, ab welchem Zeitpunkt beim Kläger eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag und ob das Versicherungsunternehmen den Kläger darauf hätte hinweisen müssen, dass diesem möglicherweise vorzeitig Ansprüche aus dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag zustanden.

Auskunftsanspruch über interne Vermerke?

Im Verlaufe des Rechtsstreits forderte der Kläger seinen Anspruch auf Datenauskunft nach § 34 BDSG a. F. ein:

„Die verantwortliche Stelle hat dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und den Zweck der Speicherung.“

Die beklagte Versicherung informierte den Kläger ausschließlich im Hinblick auf die von ihr verarbeiteten Personenstammdaten. Eine weitergehende Auskunft, insbesondere über intern gefertigte Vermerke, wurde verweigert. Die Versicherung sah sich dazu weder in der Pflicht noch praktisch in der Lage. Das Landesgericht (LG) Köln sah das genauso und wies den Auskunftsantrag ab (LG Köln v. 09.04.2018 – 26 O 360/16).

Der Kläger ging daraufhin vor dem OLG Köln in Berufung.

Berufung und Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln gab dem Versicherungsnehmer in Bezug auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch Recht, wies jedoch die Berufung in Bezug auf die Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Anspruch sei mit dem Inkrafttreten der neuen Datenschutz-Grundverordnung am 25. Mai 2018 an deren Vorgaben zu messen, im Detail an Art. 15 Absatz 1 DSGVO:

„Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen (…).“

Anspruch auch auf Gesprächsvermerke & Telefonnotizen

Der Begriff der personenbezogenen Daten sei weit gefasst und umfasse nach Definition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person bezögen. Ein Auskunftsanspruch bestehe folglich nicht ausschließlich im Hinblick auf Personenstammdaten. Soweit in Gesprächsvermerken oder Telefonnotizen Aussagen des Klägers oder Aussagen über den Kläger festgehalten seien, handele es sich hierbei ohne weiteres um personenbezogene Daten. Die beklagte Versicherung könne sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass ein entsprechend weit gefasster Datenbegriff ihre Geschäftsgeheimnisse verletzen würde. Das sei schon deswegen so, weil Informationen, welche der Kläger selbst mitgeteilt habe, diesem gegenüber keinen Geheimnischarakter haben könnten.

Hoher Verwaltungsaufwand ist keine Entschuldigung

Der Einwand, es sei für Großunternehmen mit umfangreichem Datenbestand wirtschaftlich unmöglich, Dateien auf personenbezogene Daten zu durchsuchen und zu sichern, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Es sei Sache der beklagten Versicherung, ihre elektronische Datenverarbeitung im Einklang mit der Rechtsordnung zu organisieren und dafür Sorge zu tragen, dass dem Datenschutz und den sich hieraus ergebenden Rechten Dritter Rechnung getragen werde.

Anmerkung der Redaktion: Welche rechtlichen Konsequenzen eine Zuwiderhandlung hätte, ist abhängig von der jeweiligen Landesdatenschutzbehörde und der Einzelfallentscheidung des Gerichts. Es können Bußgelder drohen!

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln ist nachvollziehbar. Das Gericht geht damit – zumindest in dem vorliegenden Fall – von einem weitergehenden Auskunftsanspruch nach der DSGVO aus, als nach früheren datenschutzrechtlichen Vorschriften. Die Entscheidung dürfte Versicherungsunternehmen nicht gefallen und die Rechte von Versicherten stärken.

Nicht entscheiden musste das Gericht, ob neben der auf Kategorien von Daten beschränkten Auskunft ein ebenso weitgehendes Recht auf Herausgabe einer Kopie der Daten besteht. Dieses wäre für ein Versicherungsunternehmen sicherlich noch belastender. In diesem Fall müssten nämlich einzelne Notizen und Vermerke, E-Mails und sonstige Unterlagen herausgesucht und im Einzelfall im Hinblick auf die gesetzlichen Beschränkungen des Auskunftsrechts bewertet werden. Schließlich dürfen die Rechte und Freiheiten anderer Personen durch die Herausgabe nicht beeinträchtigt werden. Ebenfalls können im Einzelfall Geheimhaltungsinteressen bestehen, § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG.

Worauf sollten Vermittler und Versicherte achten?

Für Vermittler und Versicherte macht es durchaus Sinn Auskunft über die gesamte Korrespondenz vom Versicherer einzuholen – wie hier im Rahmen eines Berufsunfähigkeits-Leistungsfalls. Denn hierüber können sich bestenfalls weitergehende Informationen ergeben, die für den Versicherten bei der Geltendmachung seiner Ansprüche wichtig sein könnten. Die Wirkung dieses Urteils sollte also auf keinen Fall unterschätzt werden. Empfehlenswert ist es in einem Leistungsfall immer, zeitnah juristischer Rat aufzusuchen, damit die Ansprüche des Versicherten nicht vereitelt werden.

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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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