Wann ist ein DSGVO-Auskunftsanspruch rechtsmissbräuchlich?

Liebe Leserinnen und Leser,

im nachfolgenden Beitrag beleuchtet unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, ein Urteil des Landesgerichts Wuppertal (LG Wuppertal, Urt. v. 29.07.2021 – 4 O 409/20).

Dabei geht es um die Frage:

  1. Darf ein Auskunftsanspruch, der sich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stützt, dazu genutzt werden, um geldwerte Ansprüche durchzusetzen? Das Landgericht Wuppertal hat hierzu ein klares Urteil gefällt, welches ähnlichen Vorgehen in der Zukunft einen Riegel vorschieben dürfte. Unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke beleuchtet die Details der Urteilsfindung und erklärt, warum die Zweckentfremdung von Rechtsmitteln keine gute Idee ist.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Gastbeitrag:

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Was war passiert?

Der Kläger unterhält bei der beklagten Versicherung eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Der Versicherer erhöhte die Prämien des Tarifs. Der Kläger kam daraufhin seiner Beitragszahlungspflicht wiederholt nicht nach, sodass der Tarif mehrfach in den Notlagentarif umgestellt wurde. Gegen die Prämienerhöhung wehrte sich der Kläger, da er diese für unbegründet hielt.

Der Kläger verlangte daher im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung vom Versicherer nach Art. 15 DSGVO Auskunft über alle Beitragsanpassungen der vergangenen Jahre sowie zugehörige Unterlagen. Diese Informationen seien nach Angaben des Klägers notwendig, um seine Ansprüche zu beziffern.

Die Entscheidung des LG Wuppertal

Die Klage blieb allerdings erfolglos. Das LG Wuppertal stufte das Handeln des Klägers als rechtsmissbräuchlich ein (Urt. v. 29.07.2021 – 4 O 409/20). Mit seinem Verlangen habe der Kläger nämlich ein zweckwidriges Ziel verfolgt.

Der Auskunftsanspruch des Klägers lasse sich im Streitfall nicht erfolgreich auf Art. 15 DSGVO stützen. Das Gericht war der Überzeugung, dass dem Auskunftsanspruch der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenstehe. Danach sei die Ausübung eines Rechts nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat. Beide Aspekte liegen hier kumulativ vor und stellen ein treuwidriges Verhalten dar, so das Gericht.

Weiter führt das Gericht aus, dass die begehrte Auskunft über die Prämienerhöhungen in den Jahren zuvor nach dem Willen des Klägers ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen solle. Hierbei handele es sich nach Auffassung des LG Wuppertal um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck.

Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO diene dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies solle eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. So können Betroffene den Umfang und Inhalt ihrer gespeicherten Daten beurteilen. Ferner dienen die Auskünfte laut Gericht dazu, betroffenen Personen die Wahrnehmung weiterer Rechte zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO), auf Löschung (Art. 17 DSGVO) und auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO).

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger keines der vorgenannten Interessen habe. Nach dem klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Klägers beziehe sich das Auskunftsbegehren allein darauf, etwaige geldwerte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer zu prüfen. Damit treffe das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Datenschutz-Grundverordnung: „Datenschutz”.

Letztendlich genieße ein Auskunftsbegehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt habe, keinen Schutz.

Fazit und Hinweis für die Vermittlerpraxis

Die Entscheidung LG Wuppertal ist rechtlich nachvollziehbar und überzeugt im Ergebnis. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Verbraucher ihr Auskunftsbegehren auf Art. 15 DSGVO stützen, hat das Gericht den Fall juristisch präzise und zutreffend gelöst. Klargestellt hat es dabei insbesondere, dass es keinen Weg gibt, den DSGVO-Auskunftsanspruch für die Vorbereitung der Geltendmachung von geldwerten Ansprüchen zu nutzen. Er dient nämlich, so wie es der Titel der Verordnung bezeichnet, allein dem Datenschutz. Dazu gehören verordnungsfremde Zwecke, wie die Verfolgung von Leistungsbegehren nicht. Mit dieser Entscheidung hat das LG Wuppertal eine klare Linie für die Behandlung aller weiteren, vergleichbaren Fälle geschaffen.

Nachfolgend können weitere Informationen im Bereich des Informationstechnologierechts und des Datenschutzrechts nachgelesen werden: IT-Recht / Datenschutz. Weitere rechtliche Praxisfälle mit entsprechenden Tipps für die Vermittlerpraxis werden auf den für Vermittler kostenfreien digitalen Vermittler-Treffs der Kanzlei Jöhnke & Reichow besprochen: Anmeldung.

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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