Wenn ein Missgeschick die Existenz bedroht
Manchmal reicht schon eine kleine Unachtsamkeit, um ein großes Unglück zu entfesseln. „Zum Glück bin ich versichert“, denken dann die meisten. Doch wer bei seinen Handlungen nicht die notwendige Sorgfalt an den Tag legt, dem droht im Schadenfall ein böses Erwachen. Denn ein Schaden durch Unachtsamkeit oder Missgeschick, juristisch besser bekannt als „grobe Fahrlässigkeit“, ist längst nicht in allen Tarifen versichert.
Ein grob fahrlässig herbeigeführter Schaden tritt schneller ein, als manch einer annimmt: Eine vergessene Pfanne auf dem heißen Herd, ein offen gelassenes Kellerfenster, eine unbeaufsichtigt gelassene Kerze oder eine überlaufende Wanne – allesamt Schäden, bei denen Versicherer nicht zögern werden, dem Kunden grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Wichtig ist, dass der Kunde dennoch abgesichert ist.
Die Stiftung Warentest hat knapp die Hälfte (79 von 178) aller getesteten Wohngebäudetarife mit der Note „mangelhaft“ durchfallen lassen. Das entscheidende K.O.-Kriterium war hierbei die fehlende Leistung oder Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit. Im Schadenfall sei diese Deckungslücke schlicht existenzgefährdend und entsprechende Tarife werden keineswegs zur Absicherung empfohlen, so die Verbraucherschützer in ihrem aktuellen Test zur Wohngebäudeversicherung.
Für Versicherungsmakler gibt es gute Gründe, in der Kundenberatung lediglich Tarife in Betracht zu ziehen, die grob fahrlässig herbeigeführte Schäden mitversichern. Denn kommt es im Schadenfall wirklich zu einer Leistungskürzung, ist die Empörung auf Kundenseite in der Regel groß. Makler bekommen diese Unzufriedenheit besonders zu spüren. Schnell werden dann Vorwürfe über Beratungsversäumnisse laut und fehlender Schutz bei grober Fahrlässigkeit wird zum Haftungsrisiko.
Urteile zu Wohngebäudeschäden durch grobe Fahrlässigkeit
Wasserzufuhr außer Acht gelassen
Ein Versicherungsnehmer hatte mit einem Schlauch eine Verbindung zwischen einer Wasserleitung und der Heizungsanlage hergestellt, um diese aufzufüllen. Bedingt durch ein Klingeln an der Haustür unterbrach er den Vorgang. In der etwa 20-minütigen Abwesenheit, löste sich der unter Druck stehende Schlauch der Wasserzuleitung und das austretende Wasser drang durch die Decken vom Dachgeschoss bis ins Erdgeschoss vor. Ein immenser Schaden entstand.
Das Landgericht Gießen befand, dass sich der Versicherungsnehmer weder auf ein Augenblicksversagen noch auf eine Ablenkung durch den Besucher berufen konnte. Die Leistungskürzung in Höhe von 50 Prozent sah das Gericht mit seinem Urteil als gerechtfertigt an (Az. 3 O 476/13).
Abflammen von Unkraut bei Wind
Bei Reinigungsarbeiten auf einer gepflasterten Fläche hatte ein Versicherungsnehmer mit einem Gasbrenner Unkraut abgeflammt. Während der Arbeiten ging eine naheliegende Hecke durch Funkenflug in Flammen auf und das Feuer griff auf das angrenzende Gebäude über.
Der Gebäudeversicherer kürzte die Entschädigungsleistung in Gesamthöhe von 150.000 Euro um 30 Prozent. Dagegen klagte der Versicherungsnehmer. Das zuständige Landgericht Lüneburg und das im Berufungsverfahren angehörte Oberlandesgericht Celle bestätigten jedoch die Rechtmäßigkeit der Kürzung. Mit seinen Handlungen habe der Geschädigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und naheliegende Überlegungen nicht angestellt sowie die Gefahren missachtet, die im vorliegenden Fall jeder hätte erkennen müssen. Die Kürzung hätte nach Einschätzung des Gerichts sogar noch höher ausfallen können (Az. 20 U 73/10).
Hausbrand durch Bedienungsfehler in der Sauna
Aufgrund von Renovierungsarbeiten hatte ein Ehepaar eine in den Kellerräumen installierte Sauna vorübergehend als Stauraum genutzt. Um das Licht in der Sauna einzuschalten, betätigte sie den außerhalb der Sauna befindlichen Drehschalter nach rechts. Der Schalter wies drei Stufen auf. Die erste Stufe schaltete das Licht ein, die zweite Stufe aktivierte den Saunaofen und die dritte Stufe schaltete das Licht wieder ab, wobei der Saunaofen aber aktiviert blieb. Statt den Saunaschalter wieder nach links zu drehen, um das Licht abzuschalten, drehte die Frau den Drehschalter weiter nach rechts bis das Licht erlosch. Eine mit Weihnachtsbeleuchtung eingelagerte Kiste geriet durch die erhöhten Temperaturen in Brand, der auf das Haus übergriff. Der Gebäudeversicherer stufte das Verhalten der Frau als grob fahrlässig ein und kürzte die Leistung um 30 Prozent.
Das Landgericht München bestätigte diese Entscheidung. Nach Ansicht des Gerichts sei es als grob fahrlässig zu bewerten, dass sie den Saunaschalter bediente, ohne die Funktionsweise zu kennen. Da der Schalter beschriftet war, hätte sich der Schaden mit geringem Aufwand verhindern lassen (Az. 10 O 4590/13).
Diese Klausel ist wichtig:
„Wir verzichten auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ So oder ganz ähnlich lautet der entscheidende Satz in den Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung. Klingt kompliziert, ist aber schnell erklärt: Verzichtet der Versicherer auf den Einwand, dass ein Schaden durch grobe Fahrlässigkeit entstanden ist, muss der Versicherte nicht fürchten, dass er auf den Kosten für den Schaden sitzen bleibt. In besseren Tarifen erklären sich Versicherungsgesellschaften dazu bereit, bis zu einer bestimmten Erstattungsgrenze oder sogar grundsätzlich von einer Anrechnung der groben Fahrlässigkeit abzusehen.