Vor einigen Jahren zeichneten viele Insurtechs noch ein düsteres Bild für die Zukunft von Versicherungsvermittlern. Digitale Vertriebsmodelle würden das Berufsbild überflüssig machen, hieß es aus Start-Up-Reihen. Viel Investorengeld wurde mit Versprechen von günstigen und schnellen Vertriebserfolgen eingesammelt, doch mittlerweile scheint Ernüchterung einzukehren. Eine ganze Branche kommt zu der Erkenntnis, dass sich menschliche Berater wohl doch nicht so einfach aus der Gleichung streichen lassen.

Die Erkenntnis der selbsternannten Disruptoren: Ohne Vermittler geht es nicht

Während im Jahr 2016 noch fast zwei Drittel aller Insurtechs ihren Innovationsschwerpunkt auf den Bereich „Vertrieb“ gelegt hatten, waren es bereits im vergangenen Jahr nur noch etwas mehr als 30 Prozent. Die Studie „Insurtech Radar“ aus 2019 zeigt, dass lediglich 14 der 134 aktuell in Deutschland tätigen Insurtechs überhaupt vertrieblich im Endkundengeschäft tätig sind. Viele haben ihr Geschäftsmodell von B2C auf B2B geändert.

Wie schwer die Kundenakquise ist, wenn der Online-Direktabschluss die einzige Möglichkeit ist, zeigt die Entwicklung des digitalen Krankenversicherers Ottonova. Eine mittlere dreistellige Kundenzahl und Beitragseinnahmen in Höhe von 31.000 Euro waren das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres 2017. Zwar konnten die Beitragseinnahmen im Jahr darauf laut Geschäftsbericht mit einer deutlich vergrößerten Produktpalette auf knapp eine Millionen Euro gesteigert werden, zu den genauen Kundenzahlen schweigt das Start-Up aber weiterhin. Bekannt gegeben wurde lediglich, dass die zur Gründung gesetzten Ziele bis zum Jahr 2020 in Höhe von 12.000 Versicherten nicht erreicht werden.

Nicht nur Ottonova, sondern auch die übrigen Insurtechs haben schmerzlich feststellen müssen, dass Online-Abschlüsse mit extrem hohen Aufwendungen verbunden sind. Nur damit das eigene Angebot online überhaupt wahrgenommen wird, sind bereits millionenschwere Marketinginvestitionen notwendig.

Vermittlerzahlen stabilisieren sich / Deutlich weniger Abmeldungen

„Fast niemand spricht mehr vom Tod des persönlichen Vertriebs durch Makler oder die Ausschließlichkeits-Organisation“, schreibt Insurtech-Experte Dr. Robin Kiera in einem Gastbeitrag für versicherungsjournal.de. Zwar gab es in den vergangenen Jahren einen deutlichen Rückgang der Vermittlerzahlen in Deutschland mit einem traurigen Höhepunkt im Jahr 2018 (20.000 Vermittler weniger), doch wie die aktuelle Statistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) belegt, scheint nun eine Grenze erreicht. Die Zahl registrierter Vermittler ist im dritten Quartal 2019 kaum noch gesunken (-0,1 Prozent). Bislang gab es 2019 nur 2.411 Abmeldungen. Kiera betont aber im selben Beitrag, dass Vermittler in Zukunft nur dann erfolgreich sein können, wenn sie sich aktiv den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung stellen. 

Außerdem sei eine Spezialisierung unerlässlich, entweder auf bestimmte Kundensegmente oder eben schwer digitalisierbare Geschäftsbereiche. Als Gewinner werden vor allem die Vermittler hervorgehen, die sich schon heute starke Partner für eine erfolgreiche Zukunft suchen. Wer hingegen Digitalisierung als Bedrohung und nicht als Chance wahrnimmt, unterliegt einem existenzbedrohenden Irrtum.

Künstliche Intelligenz kann Empathie eines Vermittlers nicht ersetzen

Möglichkeiten, einen Versicherungsschutz online abzuschließen, haben Kunden zu genüge. Am beliebtesten sind große Vergleichsplattformen, die scheinbar denselben Job wie ein Versicherungsmakler machen. Dass der Kunde auch hier eine Vermittlungsgebühr zahlt, wird allerdings nicht sonderlich transparent kommuniziert. Deshalb und weil die angebotene Marktübersicht nicht so umfassend ist, wie es vielleicht den Eindruck machen, ernten die Portale regelmäßig Kritik von Verbraucherschützern.

Doch davon einmal abgesehen, fehlt Vergleichern und anderen Online-Abschlussstrecken eine unverzichtbare Komponente für eine wirklich kundenorientierte Beratung: Empathie. Denn kein Programm oder Algorithmus kann den Absicherungsbedarf eines Kunden so passgenau ermitteln und anschließend das individuell beste Tarifangebot ermitteln, wie es ein unabhängiger Versicherungsmakler tut.

 

Makler bleiben wichtigster unabhängiger Vertriebskanal

Das bestätigt die aktuelle Vertriebswege-Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): Sowohl in Leben, Kranken als auch Schaden/Unfall halten Makler einen Anteil zwischen 26 und 29 Prozent am Neugeschäft. Kombiniert mit Einfirmenvermittlern und Mehrfachvertretern bringen Vermittler sogar drei Viertel aller neuen Verträge zum Abschluss. Persönliche Beratung dominiert also nach wie vor den Versicherungsvertrieb.