Ist Werbung bei den eigenen Kunden ohne deren explizite Einwilligung verboten?
Liebe Leser,
im nachfolgenden Beitrag beleuchtet unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, ein Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG München v. 15.02.2018 – 29 U 2799/17).
Dabei geht es um die Frage:
- Dürfen Unternehmer ihre Kunden zu Werbezwecken ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung per E-Mail kontaktieren, wenn zuvor ähnliche Leistungen erbracht wurden?
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.
Gastbeitrag:
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Die Ausgangssituation
Eine Partnerschaftsbörse hatte ihre Kunden per E-Mail angeschrieben, um diese zu einem kostenpflichtigen Abonnement zu bewegen. Zuvor hatten diese Kunden lediglich einen kostenfreien Account genutzt, welcher in den Funktionen jedoch deutlich eingeschränkt war. Dieses Vorgehen der Partnerschaftsbörse wurde nun von einem Verbraucherportal wettbewerbsrechtlich abgemahnt und Unterlassung gefordert.
Das klagende Verbraucherportal ist der Auffassung, dass für eine solche Kontaktaufnahme eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Kunden einzuholen ist. Da die Partnerschaftsbörse dies nicht getan hat, sei das Vorgehen eine unzumutbare Belästigung. Diese sei nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG immer dann anzunehmen, wenn bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt.
Die beklagte Partnerschaftsbörse ist hingegen der Auffassung, dass gerade in diesem Fall keine ausdrückliche vorherige Einwilligung vorliegen muss. Die Beklagte bezieht sich dabei auf den Ausnahmetatbestand nach § 7 Absatz 3 Nr. 1 – 4 UWG. Danach ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn
- ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
- der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
- der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
- der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
In erster Instanz hatte das Landgericht München die Klage des Verbraucherportals abgewiesen (LG München I v. 26.07.2017 – 37 O 1987/17). Das OLG München folgte der erstinstanzlichen Entscheidung und wies die Berufung des Verbraucherportals mit der Begründung zurück, dass in der Tat der Ausnahmetatbestand gemäß den im vorangegangenen Absatz beschriebenen Ausführungen des UWG greife.
Gericht: Ausnahmeregelungen von unerbetener Werbung sind eng auszulegen
Die detaillierte Entscheidung des Gerichts: Der Kunde war Vertragspartner der Partnerschaftsbörse und nutzte deren Dienstleistungen. Bei der Anmeldung gab er selbst seine Daten in die Eingabemaske ein, insbesondere seine Emailadresse. In diesem Anmeldeprozess wurde er darauf hingewiesen, dass er dieser Datenverarbeitung widersprechen kann („Sie erhalten Informationen zu (…) per E-Mail. Der Zusendung können Sie jederzeit unter (E-Mail-Adresse) widersprechen. (…) Um diese Mail nicht mehr zu erhalten, klicken Sie hier.“). Auch handelt es sich bei den beworbenen weiteren kostenpflichten Produkten, bzw. Dienstleistungen, um ähnliche Dienstleistungen, wie die bereits vom Kunden gebuchte kostenfreie Nutzung des Accounts der Partnerschaftsbörse. Beide Angebote dienen dem Kundenzweck über das Portal Menschen kennenzulernen. Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn die Produkte austauschbar sind oder dem gleichen oder zumindest einem ähnlichen Bedarf oder Verwendungszweck dienen (zur Austauschbarkeit der Produkte / Dienstleistungen siehe auch OLG Jena v. 21.04.2010 – 2 U 88/10). Zum Schutz des Kunden vor unerbetener Werbung ist diese Ausnahmeregelung zwar eng auszulegen (siehe dazu auch KG Berlin v. 18.03.2011 – 5 W 59/11). Die Voraussetzungen des zuvor erwähnten Ausnahmetatbestandes sieht das Gericht hier aber erfüllt. Einer ausdrücklichen vorherigen Einwilligung hat es nicht bedurft, so das OLG München.
Hinweis für die Berater- und Vermittlerpraxis
Das Urteil ist rechtlich absolut nachvollziehbar, denn genau für dieses Szenario gibt es den benannten Ausnahmetatbestand des § 7 Absatz 3 UWG. Dieser würde leerlaufen, wenn nicht genau diese Fallkonstellationen davon gedeckt wird. Jeder Einzelfall muss natürlich für sich genommen geprüft werden. Demnach können Abweichungen dazu führen, dass eben dieser Ausnahmetatbestand nicht greift und eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen muss, damit eine Kontaktaufnahme zwecks Direktwerbung stattfinden darf.
Dem Grunde nach ist diese Entscheidung auch auf die Vermittlerpraxis zu übertragen. Denn wenn es um Bestandskunden geht, so besteht über den Maklervertrag bereits ein Geschäftsverhältnis, über welches der Makler die Kontaktdaten – z. B. die E-Mail-Adresse – des Kunden erhalten hat. Nutzt er diese für Direktwerbung zur Vermittlung alternativer Produkte und / oder Dienstleistungen und hat der Kunde nicht widersprochen, so dürfte die Ausnahme übertragbar sein. Im Zweifelsfall ist Vermittlern natürlich anzuraten, eine entsprechende vorherige ausdrückliche Einwilligung einzuholen.
Weitere Informationen zu wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten finden Sie hier.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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