Ist der Maklerstatus durch Mehrheitsbeteiligung eines Versicherers gefährdet?

Liebe Leser,

im nachfolgenden Beitrag beleuchtet unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG München v. 16.1.2020 – 29 U 1834/18).

Dabei geht es um die Fragen:

  1. Darf ein Makler mit „Unabhängigkeit und Neutralität“ werben, wenn mehrheitlicher Anteilseigner am Unternehmen eine Versicherungsgesellschaft ist?
  2. Und ist durch diese Mehrheitsbeteiligung eventuell sogar der Maklerstatus selbst gefährdet?

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Gastbeitrag:

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Der Sachverhalt

Ursache für den Rechtsstreit ist ein Unternehmen, das unter anderem über eine Gewerbeerlaubnis als Versicherungsmakler verfügt, dabei aber zu 100 Prozent von einer Versicherungsgesellschaft gehalten wird. Zwar weist das Unternehmen im Impressum seiner Webseite auf diesen Umstand hin, warb aber in Vergangenheit auch mit folgender Aussage: „Unabhängigkeit und Neutralität – wir sind unseren Kunden verpflichtet und vertreten ausschließlich deren Interessen.“

Besteht durch die Mehrheitsbeteiligung des Versicherers ein Interessenkonflikt?

Ein Mitbewerber bezweifelte, dass diese Werbeaussage und der Maklerstatus des Unternehmens mit der Mehrheitsbeteiligung einer Versicherung unter einen Hut zu bringen sei. Deshalb klagte das konkurrierende Unternehmen. Der werbliche Auftritt des Maklers sei irreführend und das Unternehmen stehe aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Versicherungsgesellschaft in einem permanenten Interessenkonflikt.

OLG München gibt Klage nur teilweise statt

Zur Entscheidung des Rechtsstreits kam es nun schließlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) München. Hier bekam der Kläger im Punkt der irreführenden Werbung recht: Das Gericht erklärte, dass die werbliche Aussage zu „Unabhängigkeit und Neutralität“ über die Beteiligungsverhältnisse hinwegtäuschen könnte. Es bestehe damit die potentielle Gefahr, dass sich das beklagte Unternehmen nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch von denen des Versicherers leiten lasse.

Eine Werbung, die diese Abhängigkeit verschleiert, erhöhe die Attraktivität des Versicherungsmaklers, so das OLG. Irrelevant sei dabei die Tatsache, dass das Unternehmen auf seiner Webseite über die entsprechende Beteiligungsstruktur aufkläre. Schließlich könne laut Gericht nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Kunden, die durch die Werbebehauptung auf das Maklerunternehmen aufmerksam geworden sind, die Ausführungen im Impressum überhaupt zur Kenntnis nehmen.

Vorangegangene Urteile bestätigen die Entscheidung

Der Fall erinnert an die Entscheidung des Landesgerichtes (LG) Hannover zum AWD, welchem untersagt wurde mit dem Wort „unabhängiger“ in seinem Claim „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ zu werben (LG Hannover v. 30.06.2009 – 18 O 193/08). Das LG Hannover begründete sein Urteil damit, dass aus wirtschaftlicher Sicht der Versicherungskonzern Swiss Life als beherrschendes Unternehmen einen Einfluss auf den AWD nehmen könnte.

Auftritt als Versicherungsmakler auch mit Mehrheitsbeteiligung eines Versicherers gültig

Der Auftritt als Versicherungsmakler mit entsprechender Erlaubnis (nach § 34 d Abs. 1 GewO) wurde vom OLG München hingegen als zulässig eingestuft. Die Mehrheitsbeteiligung eines Versicherers an einem Maklerunternehmen stellt laut Gerichtsurteil keinen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb dar. Die Zulässigkeit als Versicherungsmaklers aufzutreten, könne demnach nicht davon abhängig gemacht werden, ob mehr als 50 % der Anteile von einem Versicherer gehalten werden. Denn das käme einer Marktzugangsvoraussetzung gleich, für die es jedoch keine rechtliche Grundlage gibt.

Dies ergebe sich auch daraus, dass nach der Versicherungsvermittlerverordnung (§ 15 Abs. 1 Nr. 11 VersVermV) über Beteiligungen von Versicherungsunternehmen von über 10 % aufzuklären ist. Der Gesetzgeber gehe demnach davon aus, dass Versicherungsunternehmen an Versicherungsmaklern Beteiligungen halten, und sehe gleichwohl keine Notwendigkeit, diese der Höhe nach zu beschränken.

Womit darf der Versicherungsmakler nun werben?

Fakt ist, dass Gerichte die „Neutralität und Unabhängigkeit“ von Versicherungsmaklern kritisch sehen und dieses im Einzelfall auch stringent überprüfen. Aus diesem Grunde sollten Versicherungsmakler genauestens prüfen, ob die Verwendung entsprechender Claims zu Problemen führen kann.

Im Umkehrschluss zu den angeführten Urteilen könnte man jedoch die Ansicht vertreten, dass Versicherungsmakler ohne Beteilungen von Versicherungen sehr wohl mit „Neutralität und Unabhängigkeit“ werben dürfen, da der Versicherungsmakler – anders als der Versicherungsvertreter – in der Tat – und auch nur – die Interessen des Kunden vertreten kann, ohne dass es zu Interessenskonflikten kommen könnte.

Weitere Informationen zu wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten finden Sie hier.

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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